Was wir sagen können, was wir nicht sagen können
Die größte Unsicherheit in Klimamodellen ist die sogenannte Szenarien-Unsicherheit. Niemand kann sicher sagen, wie sich die Menschen in Zukunft verhalten und welche politischen Entscheidungen getroffen werden. „Diese Unsicherheit ist einfach da und wird auch nie weggehen“, sagt Klimaforscher Latif. „Dafür müsste man über Jahrzehnte das menschliche Verhalten vorhersagen, die Weltwirtschaft, die technologische Entwicklung. Das ist nicht möglich.“ Deshalb können Klimamodelle auch nur Projektionen liefern und keine Vorhersagen. Sie funktionieren auf der Basis von Wenn-Dann-Szenarien: Was passiert mit dem Erdklima, wenn eine bestimmte Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre ist?
Es gibt aber einige Punkte, an denen Forschende arbeiten, um noch detailliertere Aussagen mithilfe von Klimamodellen machen zu können:
Maschenweite
In Klimamodellen wird die Erde mit einem dreidimensionalen Rechengitter überzogen und so in kleine Boxen aufgeteilt. Der Grund dafür ist, dass die Computer heutzutage noch nicht leistungsfähig genug sind, um wirklich für jeden kleinsten Teil der Erde die Entwicklung des Klimas zu berechnen. Die Maschenweite des Gitters bezeichnet die Auflösung, mit der das Klimamodell arbeitet. Bei globalen Klimamodellen haben die Boxen beispielsweise in der Atmosphäre horizontal eine Länge von 50 bis 100 Kilometern. Mit den leistungsstärkeren Computern hat sich die Auflösung stets erhöht.
Trotzdem sind Klimamodelle aber noch zu grobmaschig, um kleinteilige Prozesse explizit abzubilden, die aber ebenfalls eine Auswirkung auf das Klima haben. Beispielsweise, wie sich Eisschollen im Meer oder Wolken in den verschiedenen Höhen bilden. Hierfür sind an jedem Knotenpunkt – beziehungsweise Gitterpunkt – an dem sich die Boxen berühren, bestimmte Informationen verfügbar. Mit ihnen wird berechnet, wie viele Wolken oder Eisschollen pro Gitterbox wahrscheinlich vorhanden sind. Dieser Prozess nennt sich Parametrisierung. „Das ist noch eine Schwachstelle in Klimamodellen“, sagt Gerrit Lohmann, der zu Paläoklimatologie am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht. „Es ist aber das erklärte Ziel der Klimaforschung, möglichst wenige dieser Parametrisierungen zu verwenden.“
Eine damit zusammenhängende Schwierigkeit ist, globale Klimamodelle auf eine regionale bis lokale Ebene herunterzubrechen. Man weiß, dass die Meeresspiegel weltweit ansteigen, aber das passiert nicht überall gleich. Um das nicht nur in regionalen Modellen, sondern auch in globalen Modellen abbilden zu können, bräuchte man noch kleinere Gitterboxen. „Sehr hohe Auflösungen über längere Simulationszeiträume sind selbst mit den heutigen Supercomputern noch nicht möglich“, sagt Lohmann. „Im Endeffekt ist das aber eine Technologiefrage: Wenn wir mehr Rechenpower hätten, könnten wir viele Prozesse viel kleinräumiger auflösen.“
Im Endeffekt ist das eine Technologiefrage: Wenn wir mehr Rechenpower hätten, könnten wir viele Prozesse viel kleinräumiger auflösen.“
Prof. Dr. Gerrit Lohmann, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)
Klimasensitivität
Die Klimasensitivität ist eine Kennzahl, mit der sich messen lässt, wie die Temperatur auf eine Veränderung der CO₂-Konzentration reagiert. Genauer gesagt drückt sie aus: Um wie viel Grad erwärmt sich die Erdoberfläche bei einer Verdopplung der vorindustriellen CO₂-Konzentration in der Atmosphäre?
Es gibt zwei Arten von Klimasensitivität, die zu unterscheiden sind:
- Gleichgewichts-Klimasensitivität: Das Klima ist träge, deshalb erwärmt sich die Erde auch weiter, nachdem sich die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre verdoppelt hat. Es kann viele Jahre dauern, bis sich das System an die veränderte CO₂-Konzentration angepasst hat und im Gleichgewicht ist. Die Gleichgewichts-Klimasensitivität gibt die Temperaturerhöhung an, die erreicht ist, wenn sich das System angepasst hat.
- Transiente Klimasensitivität: Sie bezeichnet die Temperaturänderung, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem die Verdopplung der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre abgeschlossen ist. Dabei geht man normalerweise davon aus, dass sich die CO₂-Konzentration um 1 Prozent pro Jahr erhöht.
Der erste, der diese Zahl berechnete, war Svante Arrhenius im Jahr 1896, er ging von circa 5 Grad Celsius aus (siehe Was sind Klimamodelle?). „Das liegt immer noch im Rahmen dessen, was die heutigen Klimamodelle sagen“, sagt Klimaforscher Latif.
Im CMIP-Prozess ist es ein fester Bestandteil, die Klimasensitivität der einzelnen Modelle zu berechnen. Denn mit ihr lässt sich vergleichen, wie unterschiedlich Klimamodelle auf Treibhausgase reagieren. Dabei fällt auf: Die Spannbreite ist in den vergangenen Jahren sogar größer geworden. Bei CMIP6 liegt sie in einem Bereich von 1,8 bis 5,5 Grad Celsius. Neuere Abschätzungen der Sensitivität aus Daten der Klimavergangenheit legen jedoch einen engeren Bereich nahe, der Bericht des Weltklimarats wird hierzu aktuelle Zahlen liefern.
Die dynamische Entwicklung der Spannbreite in der Klimasensitivität spiegelt ein Phänomen, das in der Wissenschaft bekannt ist: Mit der Menge des Wissens steigt mitunter auch die Menge des Nicht-Wissens. „Manchmal ist der Fortschritt etwas holprig“, sagt Klimamodellierer Jungclaus.
„Manchmal ist der Fortschritt etwas holprig.“
Dr. Johann Jungclaus, Max-Planck-Institut für Meteorologie
Strahlungsantrieb
Der Treibhauseffekt der Erde funktioniert grob gesagt so: Sonnenenergie trifft auf die Erde, wird teilweise von der Erdoberfläche absorbiert und erwärmt sie. Von der erwärmten Oberfläche geht Wärme in Form von Infrarotstrahlung zurück ins All. Treibhausgase in der Atmosphäre verringern die Menge der Wärme, die bis ins All gelangt. Das ist lebenswichtig, denn ohne diesen Treibhauseffekt wäre es auf der Erde zu kalt. Da durch die Menschen mehr und mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, wird es auf der Erde jetzt aber immer wärmer.
Der Strahlungsantrieb ist ein wissenschaftliches Konstrukt, um zu verstehen, welchen Einfluss unterschiedliche externe Faktoren wie die durch die Menschheit ausgestoßenen Treibhausgase (zum Beispiel CO₂ oder Methan) oder eine sich ändernde Sonneneinstrahlung auf das Erdsystem haben. Ist der Strahlungsantrieb positiv, nimmt die Energie zu und es wird wärmer. Ist er negativ, sinkt die Temperatur.
„Prinzipiell ist der Strahlungsantrieb schon gut studiert“, sagt Lohmann. „Ein schwieriger Punkt sind aber die Eigenschaften der Wolken, die ebenfalls Einfluss auf den Strahlungsantrieb haben.“ Nach wie vor sind Wolken ein Thema, das in der Klimamodellierung für Unsicherheiten sorgt. Denn wie Wolken entstehen und sich verändern, ist äußerst komplex und schwierig zu modellieren.